„Viele hier haben Probleme damit“
Stolpersteine – Crumstadt-Gruppe mit nur zwei Interessierten aus dem Stadtteil selbst
CRUMSTADT.
47 jüdische Bürger lebten im Januar 1933 in dem 1500 Einwohner zählenden Crumstadt. „Damit hatte Crumstadt im Südkreis die mit Abstand größte jüdische Gemeinde“, betonte Walter Ullrich, Vorsitzender des Fördervereins Jüdische Geschichte und Kultur (FJGK) im Kreis Groß-Gerau, am Mittwochabend im alten Rathaus. Dort gab es ein Informationstreffen, um nach Stolpersteinverlegungen in Wolfskehlen und Goddelau nun auch die Ersten für Crumstadt vorzubereiten.
„Gedenken ist die Vergegenwärtigung von Geschichte“, befand Ullrich. In diesem Sinne sollen die Betonsteine mit der gravierten Messingplatte an die Opfer des Naziregimes erinnern, ihnen ihre Namen zurückgeben und sie ins allgemeine Bewusstsein zurückholen. Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt seit 1993 mittlerweile europaweit die Stolpersteine in den Gehsteigen vor den letzten frei gewählten Wohnsitzen von den Nazis vertriebener, deportierter oder ermordeter Menschen. 450 Steine kann er im Monat verlegen, weil er genau so viele monatlich produzieren kann, informierte Ullrich.
Wichtig ist dem Künstler eine genaue Recherche der Lebensumstände und des weiteren Schicksals der Verfolgten. Weshalb sich für die ersten Stolpersteinverlegungen in Wolfskehlen und Goddelau eine Recherchegruppe gegründet hatte. Mit konstant um die zehn Mitglieder laut Ullrich ein erfreulich großer Kreis. Ähnliches erhoffte er sich für Crumstadt.
Doch von den sieben Teilnehmern des ersten Treffens kamen nur zwei aus diesem Stadtteil. „Viele hier haben Probleme mit den Stolpersteinen“, erklärte Helmut Schäfer, Vorsitzender des Fördervereins Heimat und Geschichte. Als weiteren Hinderungsgrund vermutete er auch die schiere Menge der zu recherchierenden Namen. Eine Sorge, die Ullrich zerstreuen konnte. Denn gerade in Crumstadt sei die meiste Vorarbeit bereits von Georg Karl Wenner, dem langjährigen Vorsitzenden des Geschichtsvereins, erledigt worden. Der wiederum hatte viele Informationen vom früheren Crumstädter Pfarrer Helmut Walter erhalten.
Auf Initiative Wenners wurde 1988 ein Gedenkstein zwischen Kirche, Kindergarten und Heimatmuseum mit den Namen der ermordeten Mitbürger errichtet. „Die Stolpersteine sind für mein Gefühl eine gute Ergänzung zu dem Denkmal, weil man dann sehen kann, wo und wie sie gewohnt haben“, sagte Ullrich.
Erfahrungsberichte von der Recherche
„Bei uns gibt es nicht so viele Unterlagen wie in Crumstadt. Also haben wir auch mit älteren Nachbarn gesprochen und versucht, mehr über den Hintergrund der Familien zu erfahren“, berichtete Doris Rust aus Goddelau. So hat sie auch Nachkommen der jüdischen Familie Schellenberg in den USA gefunden. Der Besuch einer Enkelin zur Stolpersteinverlegung im Februar hat sie sehr bewegt. Was Stolpersteine bewirken können, berichteten zwei Mitglieder der Recherchegruppe Büttelborn: Ein Kästchen mit Erinnerungsstücken vertraute eine Büttelbornerin kurz vor ihrer Deportation einer Nachbarin in Darmstadt an mit der Bitte, es aufzubewahren. Jahrzehnte später wurde es weitergegeben. Nun steht das Kästchen bei Nachfahren in St. Louis, USA.
Die ersten Stolpersteine in Crumstadt sollen gegen Mai 2015 verlegt werden. Wegen der großen Anzahl rechnet Ullrich mit mindestens drei Verlegungsterminen. Am 17. September um 20 Uhr trifft sich die Gruppe wieder im Rathaus.30