Gedenken – Mahnmale sollen Vergessen und Verdrängen Einhalt gebieten – Trumpold erinnert an Abriss des Wohnhauses
Im Bürgersteig neben der Ausfahrt der Freiwilligen Feuerwehr, wo die Klein-Gerauer Familie Gottschall ihren letzten frei gewählten Wohnsitz hatte, hat der Kölner Künstler Gunter Demnig die vier Messingplatten mit den Namen der Mitglieder der jüdischen Familie eingelassen.
Jeder Stolperstein ist mit Vor- und Zunamen und dem Geburtsjahr versehen. Bei den Eltern Hermann (1878) und Rebekka Gottschall (1886, geborene Kahn) ist vermerkt: „Deportiert 1942 Ermordet in Auschwitz.“ Den Söhnen Herbert (1908) und Arthur (1911) gelang 1933 und 1936 die Flucht. Sie überlebten in Holland.
Eine Bruchsteinmauer, bestehend aus Sockelsteinen des alten Hauses, an der eine Gedenktafel angebracht ist, erinnert heute an das Haus und dessen Bewohner sowie andere jüdische Einwohner. Ulrich Trumpold von der Arbeitsgruppe Büttelborn des Fördervereins Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau bedauerte, dass das Gottschallhaus, in dem sich früher die Gemeindeverwaltung befand, ausgerechnet am 27. Januar 2000, dem nationalen Holocaust-Gedenktag, abgerissen wurde. „Mit der Stolpersteinverlegung können wir heute ein kleines Stück Genugtuung gewähren“, erklärte er mit Blick auf den umstrittenen Abriss des Gebäudes.
Dass die jüdischen Mitbürger dem Wahn der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen seien, lasse sich nicht mehr rückgängig machen, sagte der Erste Beigeordnete der Gemeinde, Thomas Laut, der Bürgermeister Horst Gölzenleuchter vertrat. Mit den Stolpersteinen werde dem Vergessen und Verdrängen Einhalt geboten und Respekt gezollt.
Die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten habe sich nicht darauf beschränkt, Juden zu entrechten, zu versklaven und zu ermorden. Man habe ihnen auch die Menschlichkeit genommen. Antisemitismus sei in Deutschland noch immer vorhanden. Rechtsradikale Äußerungen seien nur die Spitze des Eisbergs, betonte Laut, der erklärte, stolz auf das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Nationalitäten zu sein.
Petra Kunik von der jüdischen Gemeinde in Frankfurt las am Ende der Veranstaltung das Totengebet und informierte, dass die Namen von Verstorbenen in der jüdischen Tradition geehrt würden. „Wenn wir die Namen lesen, sind sie unter uns“, sagte sie.
Walter Ullrich, Vorsitzender des Fördervereins Jüdische Geschichte und Kultur, betonte, im Kreis Groß-Gerau habe das Thema Stolpersteine zu einer lebendigen Auseinandersetzung darüber geführt, was Gedenken bewirken und transportieren solle. Stolpersteine hätten eine provokative Wirkung. Übers Stolpern komme man zum Nachdenken.
Die Stolpersteinverlegung ruhe auf vier Säulen, erklärte Hans-Jürgen Vorndran vom Förderverein. Neben Ideengeber Gunter Demnig, den Gemeindegremien und jenen, die die Leidensgeschichten recherchieren, nannte er die Paten, die lokale Verantwortung tragen und die Finanzierung übernehmen. Für Hermann Gottschall überreichte er dem Paten Heinrich Klingler eine Urkunde. Astrid Becker ist Patin für Rebekka Gottschall, Birgit, Andreas, Felix, Johanna und Benjamin Peters für Herbert Gottschall und Bettina und Peter Doll für Arthur Gottschall. Im Juli wird Demnig erneut in Büttelborn sein und Stolpersteine für die Familien Hirsch und Seelig verlegen.