Dank Flucht dem Holocaust entgangen
Gedenken – Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt in Klein-Geraus Hauptstraße Stolpersteine für Familie Kugelmann
Zu Erinnerung und Gedenken an das Schicksal der jüdischen Bevölkerung während der Herrschaft der Nationalsozialisten gehöre die Vergegenwärtigung. Das machte Walter Ullrich, Vorsitzender des Fördervereins Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau, bei der Stolpersteinverlegung für die Familie Kugelmann und Johanna Hirsch in der Hauptstraße 32 in Klein-Gerau deutlich. Mehr als 80 Bürger waren gekommen, um an die Nachkommen der seit dem 18. Jahrhundert in Klein-Gerau ansässigen Familie zu erinnern und dem Kölner Künstler Gunter Demnig bei der Verlegung der Gedenksteine zuzuschauen.
Seit Generationen lebte die Familie Hirsch in Klein-Gerau, während Willi Kugelmann aus Wohra bei Marburg erst durch die Heirat mit Auguste Hirsch in den Ort kam, berichtete Heinrich Klingler von der Heimatpflege. Erstmals in einem Dokument erwähnt worden sei die Familie Hirsch 1782, als Klein-Geraus Bürgermeister den „Jud Hirsch“, den damaligen Neubürger, in die Feuereimergeldliste eintrug.
Als strebsame Leute im Ort anerkanntDer von 1811 bis 1864 lebende Josef Hirsch habe das Haus in der Hauptstraße als Ladengeschäft für seinen Handel mit Woll-, Weiß- und Kurzwaren gebaut, so Klingler. Sein Nachkomme Feist Hirsch habe das Unternehmen um ein Reisegeschäft erweitert. Die Hirschs seien angesehene, fleißige und strebsame Leute gewesen, die im Ersten Weltkrieg die Milchannahme für die Ortsbauern übernommen hätten.
Auguste, geboren 1908 und eine der sechs Töchter von Feist Hirsch, heiratete Willi Kugelmann und führte mit ihm das Geschäft der Eltern weiter. Das Paar hatte drei Söhne: Fred, geboren 1928, sowie die 1929 geborenen Zwillinge Harold und Arthur. Bei ihnen lebte Augustes ledige Schwester Johanna Hirsch. Drei weitere Schwestern, Rosa, Toni und Recha, seien bereits 1935 in die Vereinigten Staaten geflohen, erklärte Klingler.
Ab 1936 sei Willi Kugelmann ständig Repressalien von Behörden ausgesetzt gewesen und habe für sein Geschäft keine Zukunft mehr gesehen, sodass er mit seiner Familie 1937 nach Amerika floh und dem Holocaust entging, berichtete Klingler. Durch privaten Briefkontakt traf er Auguste Kugelmann einmal in New York: „Sie war sehr aufgeschlossen und wollte unbedingt Kloa-Gererisch mit mir sprechen.“ Fred Kugelmann besuchte 1992 seine alte Heimat und habe nach seinem Elternhaus erst suchen müssen, da es umgebaut worden sei. Durch Kugelmanns Vermittlung hätten sich weitere Verwandte gemeldet, um Näheres über ihre Vorfahren zu erfahren, sagte Klingler.
„Wir müssen all derer gedenken, die Opfer eines der unrühmlichsten Kapitel deutscher Geschichte wurden“, unterstrich Bürgermeister Andreas Rotzinger (CDU) die Verantwortung der nachfolgenden Generation, die Erinnerung wach zu halten. Unfassbar sei es, dass es Menschen gebe, die Stolpersteine entwenden oder Fassaden mit rechtsradikalen Parolen beschmieren.
Der jüdische Liedermacher Dany Bober trug mehrere Stücke vor, darunter ein „Jiddisches Auswandererlied“. Schüler der vierten Klassen der Erich-Kästner-Schule hatten sich im Religionsunterricht mit ihrer Lehrerin Britta Klappich-Nowak mit der Thematik befasst und warnten vor dem Vergessen. Anschließend legten sie Windlichter und weiße Rosen auf die Steine, die später vom Bauhof wieder eingesammelt wurden.
Die Stolpersteinpaten hätten durch ihre Geldspenden die Verlegung erst ermöglicht, würden aber gleichzeitig Verantwortung für die Ortsgeschichte übernehmen und ein sichtbares Zeichen setzen gegen Rassismus und Faschismus, betonte Hans-Jürgen Vorndran vom Förderverein.