,,Stolpersteine“: Mit Messingtafeln an Opfer erinnern
Holocaust: Nach Rüsselsheimer Vorbild sollen in Bischofsheim ,,Stolpersteine“ gegen das Vergessen eingesetzt werden
Am 27. Januar 1945 befreite die sowjetische Armee die verbliebenen Gefangenen des Konzentrationslagers Auschwitz. Die Nationalsozialisten hatten schon Wochen vorher begonnen, das Lager zu räumen, doch die Gräueltaten ließen sich hier wie an vielen anderen Orten nicht vertuschen.
Seit Kriegsende steht Auschwitz als Symbol für eine in der Geschichte beispiellose organisierte Vernichtung von Menschen. 51 Jahre nach dem Krieg, 1996, führte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar als offiziellen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus ein.In Bischofsheim hatten der Vorsitzende der Gemeindevertretung, Hugo Berg, und Bürgermeister Reinhard Bersch (parteilos) jetzt zu einer Gedenkveranstaltung in den Sitzungssaal des Parlamentes eingeladen. Der Gedenktag, so machte Hugo Berg deutlich, habe seit zehn Jahren im Bischofsheimer Veranstaltungskalender einen festen Platz gefunden. Rolf Strojec von der ,,Initiative Stolpersteine in Rüsselsheim“ stellte im Rahmen der Veranstaltung das Projekt ,,Stolpersteine“ vor und nannte die kleinen Erinnerungssteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig eine wirkungsvolle Form, sich dem düsteren Kapitel in der deutschen Geschichte zu nähern.
Den anonymisierten, unzähligen Opfern ihre Namen wieder zu geben und sie gleichsam zurück zu holen an die Orte, an denen sie gelebt und gewirkt haben, sei der Inhalt des Projektes. Nicht die Füße, sondern die Augen, stolperten über die kleinen glänzenden Messingtafeln auf dem Gehweg, vor einem Haus. Die gewählte Form sei kein Frontalunterricht an einer anonymen, dezentralen Gedenkstätte, sondern zentral, mitten im Leben. Das Gedenken findet nicht zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort statt sondern zufällig, spontan, gerade dann, wenn man an einem der Steine vorübereile und sich kurz erinnere. 65 Jahre nach dem Krieg ist es die Kinder und bereits die Enkelgeneration, die den Opfern deutscher Gräueltaten im dritten Reich ein Andenken verschaffen will und gegen das Vergessen und Ignorieren angeht.
Künstler Gunter Demnig, der in einem kurzen Film vorgestellt wurde, als auch Rolf Strojec haben ganz persönliche Motive, die Vergangenheit aufzuarbeiten: Väter, die nicht über ihre Erlebnisse und Taten sprechen konnten oder wollten und eine Gesellschaft, die die schrecklichen Auswüchse des Nationalsozialismus zu verdrängen versuchte und zur Normalität eilte, gehören dazu. Wie in einem Comic, so Stroject, habe man heute manchmal das Gefühl, sei der Nationalsozialismus wie ein außerirdisches Phänomen über Deutschland gekommen und habe die Deutschen verführt, um nach dem Krieg wieder spurlos zu verschwinden. So sei es aber nicht gewesen. Die Opfer, darunter Juden, Zigeuner, Behinderte und viele andere Gruppen, wurden in der Mitte der Dörfer und Städte gedemütigt, gequält und später deportiert und ermordet. An der ,,Tötungsmaschinerie“ hatten Hunderttausende mitgearbeitet.
Nur wenige Bürger haben damals Widerstand geleistet, so Strojec. Zivilcourage bedeutete damals als auch heute mehr als nur ,,einer Oma beim Einkaufen zu helfen“.Deswegen stehen auf Einzelnen Stolpersteinen auch Namen von Bürgern die sich in Wort oder Tat der verordneten Barbarei widersetzten haben, ihre Karriere und sogar ihr Leben riskierten um der Menschlichkeit eine Chance zu geben.
Bernd Schiffler von der Kulturverwaltung der Gemeinde, nahm die Veranstaltung zum Anlass, das Projekt ,,Stolpersteine“ in Bischofsheim zu initiieren. Auf einer Unterschriftsliste warb er um Helfer, die sich einer Arbeitsgruppe zu diesem Thema anschließen möchten, um vielleicht im Jahr 2011 auch die ersten kleinen Erinnerungssteine in Bischofsheim verlegen zu können.
Material sei vorhanden und Rolf Strojec versprach, den Bischofsheimern bei der inhaltlichen Spurensuche behilflich zu sein. Interessenten, die an der Spurensuche mitarbeiten möchten, können sich an Bernd Schiffler wenden, Rufnummer: 06144 40472.