Nachdem die Großgemeinde Trebur bis Ende vergangenen Jahres auf ihre ersten Stolpersteine warten musste, wurde am Dienstag in Trebur und Geinsheim gleich mehrfach eine Verlegung gefeiert. In Geinsheim waren sogar die Nachfahren der Familie von Max und Mathilde Kahn aus den USA dabei.
„Wir wollen uns an die Opfer der Ungerechtigkeiten im Nationalsozialismus nicht nur erinnern, denn das hieße ja an die Vergangenheit zu denken. Nein, wir wollen ihnen gedenken und somit die Vergangenheit in die Gegenwart holen“, sagte Walter Ullrich vom Förderverein der jüdischen Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau. Er lobte, dass sich seit der Verlegung der ersten Stolpersteine in Mörfelden-Walldorf auch in den umliegenden Gemeinden viel getan habe und dass man sich jetzt bereits zum zweiten Mal in Trebur treffe.
Seit Beginn des Projekts „Stolpersteine gegen das Vergessen“ hat der Kölner Bildhauer und Künstler Gunter Demnig rund 53 000 dieser Steine verlegt. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in 19 anderen europäischen Ländern, und zwar immer am letzten freiwillig gewählten Wohnsitz einer betroffenen Familie. Am Dienstag hatte Demnig einiges zu tun: 19 Stolpersteine galt es in die Erde zu bringen.
In Trebur begann die Verlegung in der Hauptstraße 46, am ehemaligen Wohnsitz der Familie Goldschmidt. Bürgermeister Carsten Sittmann und der Erste Kreisbeigeordnete Walter Astheimer lobten dort diese Form des Gedenkens an die Opfer und Vertriebenen des NS-Regimes. Dazu spielte das „Absinto Orkestra“, das aus Zeitgründen bei der Zeremonie in Geinsheim leider nicht mehr dabei sein konnte.
Während der Erinnerung an das Leben und das Wirken von Flora, Regina, Ellen und Erich Goldschmidt durch Heidi und Lukas Kraft machte sich Demnig ans Werk, um die mit Messingplatten verzierten Steine einzulassen. In der Kümmelgasse 8 würdigte Ingrid Stapff das Leben von Betty und Jakob Joseph Hayum, bevor Wolfgang Kraft von der Gesellschaft Heimat und Geschichte in der Krummgasse 17 an die Familie Emilie, Elsie, Carl, Julius und Alex Levy erinnerte.
Dann ging es nach Geinsheim, wo an der Lesekapelle St. Ulrich die Zeremonie vor zahlreichen Besuchern begann. „Wir wollen, dass die Menschen über diese Namen stolpern, dass ihr Schicksal unvergessen bleibt und dass sie ihrer letzten frei gewählten Heimatgemeinde für immer erhalten bleiben“, sagte Sittmann. Auch Astheimer unterstrich dies. „Diese Familien gehören zu uns, es ist barbarisch, was damals passiert ist.“
In der Oppenheimer Straße 15, am ehemaligen Haus der Familie Kahn, begann die Verlegung im Anschluss an die kurze Feier. Verlegt wurden dort Stolpersteine für Mathilde, Johanna Melanie, Max und Manfred Kahn – und zwar unter den Augen ihrer eigens aus den USA angereisten Nachfahren (mehr dazu auf dieser Seite). Gerührt wirkten der aus Gettysburg im US-Bundesstaat Pennsylvania angereiste Monroe Kahn und seine Familie, als die derzeitige Besitzerin des Anwesens ihrer Vorfahren auch noch die Patenschaft für den Stolperstein seines Vaters Manfred Kahn übernahm. „Wir waren sehr überrascht, als wir etwas aus Deutschland hörten. Und wir freuen uns, hier in Geinsheim zu sein, wo unsere Familie so lange lebte“, sagte Kahn. Er legte zudem noch eine Messingplatte unter die Stolpersteine.
Anschließend ging es in die Oppenheimer Straße 30, wo Walter Ulrich an Hedwig und Albert Kaufmann erinnerte, bevor in der Leeheimer Straße 18 Stefan Kasseckert Simon und Karl Kahn gedachte. An allen Verlegestellen wurde für jedes Opfer nicht nur ein Stolperstein verlegt, sondern auch eine Rose niedergelegt. Bürgermeister Sittmann überreichte die Patenschaftsurkunden.