„Man soll nur metaphorisch stolpern“
Stolpersteine – Projekt kommt auch in Riedstadt in die Gänge – Februar 2014 als Termin
ERFELDEN.
Wer interessiert sich fast 70 Jahre nach Ende der Judenverfolgung der Nationalsozialisten noch für die Opfer? Mehr Menschen, als mancher denkt. Am Donnerstagabend trafen sich 18 von ihnen in der alten Synagoge Erfelden zu einem Informationsabend des Fördervereins Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau über die Aktion Stolpersteine. Vorsitzender Walter Ullrich berichtete zunächst über den Stand des Projekts, das im November 2012 von der Stadtverordnetenversammlung in Gang gebracht wurde (wir berichteten).
Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt vor den letzten freiwillig gewählten Wohnstätten von Opfern des Naziregimes kleine Betonsteine, die auf einer Messingplatte Namen, Geburts- und Todestag sowie –ort der Opfer angeben. Nicht nur Juden würden genannt, sondern auch nach dem Euthanasie-Erlass getötete psychisch Kranke. „Stolpersteine, das heißt nur metaphorisch darüber stolpern“ räumte Ullrich Bedenken über die Sicherheit der Fußgänger aus. Die Steine würden so in den Gehweg eingelassen, dass man geistig darüber stolpere.
Glitzern am Boden lässt innehaltenDas betätigte eine Frau aus Wolfskehlen. Sie berichtete von einem unerwarteten Glitzern in einer Straße in Darmstadt, das sie innehalten ließ. Es war ein Stolperstein, der sie zum Nachdenken brachte über die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns. Jetzt wolle sie dazu beitragen, dass diese Menschen nicht vergessen werden.
Demnig verlange gründliche Recherche und nehme die Verlegung meist persönlich vor, so Ullrich. Er regte an, dass man vonseiten der Stadt Riedstadt soweit möglich auch Nachkommen der Opfer zur Verlegung einlade. Als ersten Verlegungstermin nannte er den Februar 2014. Er rechne damit, dass in etwa zehn Jahren die Stolpersteine flächendeckend im Kreis Groß-Gerau verlegt seien.
„Es geht um die Opfer. Nicht darum, mit den Fingern auf die Täter zu zeigen“, entgegnete Eva Roth einem Bedenkenträger aus der Versammlung. Der sah nämlich die Gefahr von „Zorn, Hass und Zerrissenheit“, wenn im Lauf der Recherchen auch die Täter bekannt würden. „Es wird nicht ausbleiben, dass man Namen (der Täter) findet“, bestätigte Ulf Kluck vom Vorstand des Fördervereins. Aber das sei nicht das Ziel der Aktion.
Viel Recherchearbeit liegt noch vor der Projektgruppe, bis die Lebensläufe der rund 130 deportierten jüdischen Mitbürger in Riedstadt nachvollzogen sind. Vor allem in Wolfskehlen sei schon eine Menge bekannt, lobte Ullrich. Dank der Hilfe des Heimat- und Geschichtsvereins habe Ursula Linke die Lebensläufe von zehn Personen auf drei Grundstücken relativ gut recherchiert, lobte Ullrich. Unterstützt wurde sie von Sohn Kay, der in der ehemaligen Synagoge des Stadtteils wohnt und sich für das Schicksal der früheren Bewohner interessiert.
Recherche führt bis nach IsraelNeben den Archiven der Stadt seien oft die Staatsarchiven Wiesbaden und Bad Arolsen bei Nachforschungen von Nutzen, manchmal auch die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel. Weitere Helfer für die Recherchearbeit seien willkommen, ermutigten Ullrich und Kluck ihre Mitbürger. Besonders wichtig seinen auch Zeitzeugen wie Willi Blodt. Er könne sich noch gut an einen jüdischen Schulkameraden erinnern, der eines Tages nicht mehr zum Unterricht kommen durfte, berichtete der ehemalige Landrat. Seine Eltern hätten damals bei einer jüdischen Familie gewohnt, und er habe die Zerstörung der Synagoge erlebt. „Aber ich habe nie erlebt, dass ein Wolfskehler dahinter gestanden hätte.“
Neben Hilfe bei den Nachforschungen benötigt der Förderverein auch Spenden. Für 120 Euro könne man die Patenschaft für einen Stolperstein übernehmen, informierte Walter Ullrich. Man könne auch, wie Klaus Minden aus Erfelden, sich einen Stein zuweisen lassen.
Auskunft über Zahlungsmodalitäten gibt Walter Ullrich gerne entgegen. (Ringstraße 50, 65468 Trebur-Geinsheim, Telefon 06147 8361, E-Mail suw-ullrich@onlinehome.de).