Bloßgestellt und gedemütigt
Gedenken – Mit der Verlegung von Stolpersteinen wird an die Familien von Ferdinand und Siegmund Seelig erinnert
Für zwei weitere jüdische Familien, die von den Nationalsozialisten im Dritten Reich verfolgt und zum Teil umgebracht wurden, sollen am 3. Juli (Dienstag) in Büttelborn vom Kölner Künstler Gunter Demnig Stolpersteine verlegt werden. Das teilt die Arbeitsgruppe Büttelborn des Fördervereins für Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau mit.
Erinnert werden soll mit den kleinen Messingplatten, die in den Bürgersteig vor den Anwesen Schulstraße 34 und Darmstädter Straße 19 in den Gehsteig eingelassen werden, an die Familien Ferdinand Seelig und Sigmund Seelig.
Ferdinand Seelig wohnte mit seiner Schwester Betty zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft in der Schulstraße 34, so die Mitteilung der Arbeitsgruppe. Seine Tochter Lina war in Groß-Gerau verheiratet und emigrierte mit ihrem Mann Sally Rosenthal in die USA. In den sechziger Jahren kehrte sie nach Deutschland zurück und lebte bis zu ihrem Tod in Frankfurt. Der Sohn Siegfried, im Ruhrgebiet ein erfolgreicher Industrieller, emigrierte in die Schweiz. Er kehrte nach dem Krieg ins Ruhrgebiet zurück. Tochter Martha floh ebenfalls in die USA und starb in Chicago.
Ferdinand Seelig führte eine Metzgerei und galt als streng, aber hilfsbereit. Er starb 1934 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Groß-Gerau begraben. Nach seinem Tod lebte nur noch seine gehbehinderte Schwester Betty in dem Haus in der Schulstraße 34, wo sie ein Textilgeschäft betrieb.
Am 9. November 1938, in der Reichspogromnacht, wurde das Haus verwüstet, ihre Waren verbrannt oder gestohlen. Die 71 Jahre alte Frau wurde im Leiterwagen durch Büttelborn gezogen, bloßgestellt und gedemütigt. Betty Seelig löste ihr Geschäft auf, zog nach Frankfurt und wurde von dort nach Theresienstadt deportiert. Dort starb sie im Februar 1943.
Für Ferdinand und Betty Seelig werden zwei Stolpersteine verlegt. Weitere fünf Stolpersteine wird Gunter Demnig vor dem Haus der Familie Sigmund Seelig in der Darmstädter Straße 19 in den Boden einlassen. Sigmund Seelig war der letzte Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Büttelborn und verheiratet mit Flora Seelig, geborene Levi. Beide hatten drei Töchter: Bella, Frieda und Else. Sigmund Seelig trat nach einer kaufmännischen Ausbildung in den erfolgreichen Getreide- und Viehhandel seines Vaters in der Darmstädter Straße 9 ein und übernahm später das Geschäft. In der Darmstädter Straße 19 baute das Ehepaar ein neues Wohn- und Geschäftshaus und zog dort selbst ein. Verfolgt und boykottiert, musste Sigmund und Flora Seelig 1936 ihr Geschäft aufgeben. Sie zogen im März 1937 mit Tochter Frieda nach Frankfurt. Bella und Else waren bereits zu Beginn der dreißiger Jahre in die USA geflohen.
Nach der Pogromnacht war Sigmund Seelig für kurze Zeit in Buchenwald inhaftiert. Im September 1942 wurde er mit seiner Frau nach Theresienstadt deportiert. Sigmund Seelig starb dort im Januar und Flora im Februar 1943. Tochter Frieda war bereits im Frühsommer 1942 von Frankfurt in den Osten deportiert worden und ist dort verschollen.
Mit einer Gedenkstunde werden die Gemeinde Büttelborn, der Förderverein Jüdische Geschichte und Kultur die Verlegungen feierlich gestalten und die Paten mit Urkunden auszeichnen. Weitere Patenschaften für die Stolpersteine können übernommen werden und sind willkommen.
Um mehr über das Schicksal der früheren Büttelborner zu erfahren, bittet die Arbeitsgruppe ehemalige Nachbarn, Freunde oder Schulkameraden darum, der Arbeitsgruppe ihre Erinnerungen zu berichten und alte Fotos zur Verfügung zu stellen. Sie können sich unter Telefon 06152 58132 bei Elke Jurischka-Leimbach melden.