»Opfer kehren symbolisch an Lebensort zurück«
Stolpersteine: Hans-Jürgen Vorndran berichtet in Walldorf über das Projekt
Steine gegen das Vergessen“ ist der Titel eines Buchs, das Hans-Jürgen Vorndran (rechts) über Stolpersteine und das Schicksal jüdischer Familien geschrieben hat. Am Donnerstagabend war er bei der Pfarrgemeinde Christkönig Walldorf zu Gast. Foto: Timo Jaworr
»Die Menschen schweigen, der Stein hat beschlossen zu reden«, hat Bertolt Brecht einmal gesagt. Der Dramatiker konnte zwar noch nicht von den »Stolpersteinen« gehört haben, sein Zitat aber trifft den Kern des europaweiten Projekts. Auf den zehn Mal zehn Zentimeter kleinen Messingplatten sind Schicksale von jüdischen Menschen und kompletten Familien festgehalten, die unter dem Naziregime meist einen leidvollen Tod sterben mussten.»Mit diesen Steinen gegen das Vergessen kehren die Opfer des Naziterrors symbolisch an ihren Lebensort zurück«, sagte Hans-Jürgen Vorndran. Er engagiert sich seit 2005 in Mörfelden-Walldorf für das Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig und betreibt Geschichtsaufarbeitung. Am Donnerstagabend sprach er auf Einladung der Erwachsenenbildung der katholischen Pfarrgemeinde Christkönig über die Stolpersteine.
Nach Angaben Vorndrans hat Demnig seit 2003 mehr als 26 000 Steine in 594 deutschen und 59 europäischen Städten verlegt. »Seine Stolpersteine sind sein Lebenswerk geworden«, so Vorndran.
Die Vertreibung und Vernichtung von Juden, Zigeunern, politisch Verfolgten, Homosexuellen und Euthanasieopfer soll so vor dem Vergessen bewahrt werden.
Vorndran sah 2005 vor den Hackeschen Höfen in Berlin zum ersten Mal einen Stolperstein. Damals war er mit dem Förderverein jüdische Geschichte unterwegs. »Ich war sofort begeistert von der Idee, im öffentlichen Raum ohne die sonst erforderliche und nur selten erreichte Zustimmung der Hauseigentümer an die verschwundenen jüdischen Nachbarn zu erinnern«, erzählte Vorndran.
Auf Initiative des ehemaligen Ersten Stadtrats von Mörfelden-Walldorf wurde das Projekt auch im Kreis Groß-Gerau. In Mörfelden und Walldorf, die 1942 von den Bürgermeistern offiziell als »judenfrei« gemeldet wurden, erinnern beispielhaft 14 kleine Messingplatten an die Schicksale jüdischer Opfer. Nur vier jüdische Mitbürger überlebten die Schreckensherrschaft der Nazis – drei davon waren untergetaucht, Clara Marie Adler lebte in einer privilegierten Mischehe.
Diejenigen, die nicht mehr rechtzeitig flüchten konnten, suchten den Freitod oder wurden von Darmstadt aus gemeinsam mit 3000 anderen Juden aus Hessen deportiert.
Mehr über das Projekt Stolpersteine und das Schicksal von Juden aus Mörfelden-Walldorf hat Hans-Jürgen Vorndran in dem vom Förderverein für jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau herausgebrachten Buch »Steine gegen das Vergessen« festgehalten. Der etwa 200 Seiten umfassende Band ist für 8,50 Euro bei der Buchhandlung Giebel sowie in den Stadtbüros erhältlich.